Mitreißender Wettstreit internationaler junger Tenöre

Mitreißender Wettstreit internationaler junger Tenöre

Passauer Neue Presse

vom 04.01.2019

Mit Tenören assoziiert man gerne Herren in gesetzterem Alter, Stars wie Placido Domingo und José Carreras oder den mittlerweile leider verstorbenen, großartigen und unvergessenen Luciano Pavarotti. Graue Haare und Falten sucht man bei der jungen und dynamischen Gruppe der Magic Tenors allerdings vergebens. Stephen Johnson ist mit 22 Jahren der Benjamin der Truppe, er hat gerade erst seine Ausbildung an der Mountview Academy of Musical Theatre beendet. Als der schmale Jüngling mit den langen Locken neben den anderen die Bühne des Kurgastzentrums betritt, fragt sich so mancher Zuschauer, ob diese äußerst jugendlich wirkenden Sänger wirklich halten können, was der Veranstalter für den Abend verspricht: stimmgewaltige und leidenschaftliche Interpretationen von musikalischen Highlights aller Genres.

Doch bereits bei den ersten Tönen von „Ameno“ aus dem Munde von Conor Murphy wird klar, dass jede Skepsis unbegründet ist. Der Kanadier, der in Toronto Musik studierte, singt mit warmem Timbre und voller, weichtönender Stimme. In seiner Ausbildung widmete sich der Urenkel einer in Irland bekannten Opernsängerin auch der klassischen Musik und Pavarotti.  Aber erst einmal geht es frisch und beschwingt mit „Uptown girl“ und „Bridge over troubled waters“ in den Abend. Vielleicht ist es dem starken Schneefall geschuldet, dass so viele Sitzplätze im Zuschauerraum leer geblieben sind, verdient hätte die hochkarätige Show deutlich mehr Publikum. Aber die Gäste, die gekommen sind, sind guter Stimmung, welche sich im Laufe des Abends noch deutlich steigert.

Die jungen Künstler sind ansteckend gut gelaunt, man muss einfach mitlachen, wenn sie auf der Bühne rangeln, drängeln und schubsen, wenn sie versuchen einander auszustechen und mit immer höheren Tönen zu überbieten. Wie eine Bande rüpelhafter Halbstarker inszenieren sie einen Sängerstreit auf höchstem Niveau. Vor allem der hellblonde Holländer Max Himmelreich, der auch als Moderator fungiert, strahlt unglaubliche Lebensfreude aus und gewinnt die Herzen der Zuschauerinnen mit witzigen Einlagen. Er ist ein wahrer Springinsfeld, hüpft und tanzt auf der Bühne herum, spielt auf der Luftgitarre und verbreitet mit „Ein Hoch auf uns“ von Andreas Bourani ausgelassene Stimmung. Stephen Patrick und Stephen Johnson zeigen mit „My shadow and me“, dass sie der verschmitzten Komik von Frank Sinatra und Sammy Davis jr. durchaus das Wasser reichen können. Nach dem zu Herzen gehenden „Hallelujah“ aus dem Film Shrek  und einem mitreißenden Abba Medley folgt das berührende und mehrstimmig gesungene „Bring him home“ aus dem Musical „Les Miserables“. Ob Solo, im Duett, Terzett oder im Chor, mehrstimmig oder uni sono, klassisch, Jazz, Schlager oder Pop, die Tenöre scheinen alles zu beherrschen. Sie bringen beliebte Ohrwürmer wie Udo Jürgens „Mit 66 Jahren“, Bon Jovis „Living on a Prayer“ aus dem Jahr 1986, Rod Stewards „I am sailing“ von 1975 und „Solang man Träume noch leben kann“, ein Hit der Münchner Freiheit von 1988. Matthew McLoughlin überzeugt ebenso wie die anderen bei Medleys von den Bee Gees und Tom Jones. Michael Robert-Lowes Körper bietet seiner Stimme einen gewaltigen Resonanzraum, nebenbei punktet er mit Humor und Selbstironie.  Für „Pretty Woman“ holt er sich mit sicherem Gespür eine hübsche Zuschauerin aus dem Publikum, die auch auf der Bühne mit ihrem schwarzen Glitzerkleid eine gute Figur macht.

Überhaupt haben die charmanten Gentlemen keine Scheu, sich unter das Publikum zu mischen und da oder dort eine Partnerin zum Tanzen zu holen.  Die „Bohemian Rhapsody“ verführt zum Mitklatschen und Mitsingen des großartigen Queen-Songs. Diese Sänger müssen sich tatsächlich nicht vor dem verstorbenen Queen-Frontmann Freddie Mercury verstecken. Das irische Lied „Wild rover“ entpuppt sich als das bekannte „An der Nordseeküste“, bei dem das animierte Publikum lauthals mitsingen darf.  Luke Zdrenka becirct mit der Arie „Dein ist mein ganzes Herz“ aus der Operette „Das Land des Lächelns“ die Frauenherzen. Erst ist die musikalische Begleitung hier etwas gewöhnungsbedürftig, aber das strahlend geschmetterte „Sag noch einmal mir, ich hab dich lieb“ macht das wieder wett.  Eine hervorragende Stimme hat auch Jonathan Radford, der schon die Nationalhymnen von Wales und Neuseeland im Live-Fernsehen für die BBC sang. Besonders mitreißend ist sein leidenschaftliches Solo in „Bui Doi“ aus Miss Saigon. Trotz des düsteren Textes ein Schmankerl ist auch Ed Sheerans „I see fire“ aus dem Film The Hobbit. Und aus dem harmlosen Liebeslied „I need your love“, einst von Patrick Swayze im Film „Dirty Dancing“ seinem Baby gewidmet, wird durch einen hervorragend gelungenen A-Capella-Anfang ein Ohrenschmaus.

Wenn es um Tenöre geht, darf natürlich die berühmte Arie des Prinzen Kalaf aus Puccinis Oper Turandot auf keinen Fall fehlen. Und nun stellt Conor Murphy eindrucksvoll unter Beweis, dass das Pavarotti-Studium nicht umsonst war.  Das hohe H des „Nessun Dorma“, eine der bekanntesten Opernarien überhaupt, ist vielleicht für immer mit dem großen Meister seines Faches verbunden. Mit wunderbarer Leichtigkeit, geschmeidig, aber ohne Schwülstigkeit meistert Murphy bravourös diese Herausforderung und wird vom Publikum gefeiert. Bei „Hey Jude“ sind alle Zuschauer dabei, zu „Twist and shout“ wird getwistet, was das Zeug hält, bis es dann wirklich die letzte Zugabe gibt,  fulminant und mehrstimmig: „Time to say goodbye“.

Bilder und Bericht der Passauer Neue Presse vom 04.01.2019.